Hi,
man könnte eine ganze Reportage über die faszinierenden Landschaften in Polens Norden schreiben. Vielleicht tu ich es ja mal irgendwann. Hier zunächst mal Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Route / Routenplanung
Wir sind (von Berlin bis Leipzig) in 14 Tagen etwa 2.800 km unterwegs gewesen. Wir hatten Zwischenziele, die wir ansteuern wollten (Empfehlungen von Freunden, Literatur über Masuren und das Ermland), und ein Haus für eine Woche in Masuren. Streckenplanung frei Schnauze. Möglichst keine Hauptverkehrsstraßen (die sind in Polen die Hölle, jeder zehnte Autofahrer ist ein todesverachtender Kamikazepilot, allerdings auf Nebenstrecken weniger anzutreffen). Möglichst Asphalt, da wir Straßenmotorräder fahren (BMK K 1100, BMW RT 1100, Honda VFR, Honda CBF 600). Mehr als 80% der zuhause vorgeplanten Strecke war ok. Beim Rest haben wir vor Ort improvisiert – oder die Straße schweigend bis fluchend ertragen.
Straßen / Verkehr
Weder die polnische Generalkarte noch GP Mapa Polen machen bei den Nebenstrecken optische Unterschiede zwischen Asphalt und Piste. 80% aller von uns ausgesuchten Straßen hatten brauchbaren bis guten Asphalt, 10% waren in einem bedenklichen Zustand. Der Rest war Piste (von Schotter bis Sand), von denen wir einige gefahren sind, bei manchen haben wir auch umgedreht und uns eine Alternative gesucht.
Die Straßen bieten mancherlei Überraschungen (ausgerissene Bankette, keine Markierungen, Sand und Schotter auf dem Asphalt, Fußgänger, Radfahrer, Fuhrwerke, Traktoren, Wild) und wollen konzentrieret befahren werden. Kurven, Fahrdynamik etc. sollte man wiederum nicht erwarten, dafür gibt’s andere Reviere. Bei meinem nächsten Besuch in Masuren werde ich aber eine Enduro nehmen. Für die gibt’s legalen Fahrspaß ohne Ende.
In Polen konzentriert sich der Verkehr auf wenige Hauptverkehrsstraßen. Wer auf den Nebenstrecken unterwegs ist, kann auch mal 15 Min Einsamkeit genießen, bis er wieder auf ein Fahrzeug trifft. Überholverbote und Tempolimits haben Seltenheitswert. Fahrbahnmarkierungen aber auch. Der Wildwechsel ist enorm, was man an der erlegten Beute auf und neben der Fahrbahn sieht.
Unterkünfte
Wir haben uns „westlichen“ Hotelstandard gegönnt und die Quartiere von daheim gebucht. Komfort wie hierzulande, Preise aber auch (fast): von 50 bis 82 EUR pro DZ inkl. Frühstück. Feines Haus an einem kleinen masurischen See inkl. allem Schnickschnack (Waschmaschine, Fahrräder, Ruderboot), 120 qm, bis 6 Pers.: 450 EUR / Woche. Wen’s interessiert: Info per Mail.
Versorgung
Tankstellennetz absolut top, viele 24h-Betriebe. Motorradwerkstätten: keine Handvoll. Was unterwegs fehlt, sind Cafés und Imbissstände, die man mal auf eine Tasse Kaffee oder einen Happen ansteuern kann. An der Straße kann man aber Obst von Privatleuten kaufen, Kaltgetränke gibt’s genau wie hier an der Tanke.
Vorurteile
Vergesst sie. Unsere Moppeds wurden nicht geklaut. Sie haben auch nicht viel Aufsehen erregt. Motorradfahren ist in Polen nicht populär. Wer auf dem Land Motorrad fährt, kann sich kein Auto leisten. Nur in den großen Städten trifft man auf einige wenige Motorradenthusiasten. Aber: die Kids sind neugierig. An Hotels, in den Innenstädten und bei Sehenswürdigkeiten gibt es bewachte Parkplätze. Beim Einparken kommen oft Jugendliche hinzu, die eine noch bessere Bewachung versprechen. Für weitere 2 Zloty (< 50 ct). Der Preis ist ok.
Ich habe selten ein Land besucht, in dem die Einheimischen so freundlich, positiv und interessiert auf ihre deutschen Besucher eingehen, wie in Polen. Obwohl es reichlich Gründe für Ablehnung und Misstrauen gäbe seitens der Polen. Man schaue nur in die leidvolle Geschichte unserer beiden Völker.
Polnische Menschen aller Altersgruppen interessieren sich für Deutschland und Europa. Und sie interessiert die Meinung ihrer Gäste über Polen, auf das sie (trotz vieler Kritik an ihrer Regierung) sehr stolz sind. Zu Recht, im Übrigen.
In Polen gibt es Armut, vor allem im Nordosten, keine Frage. Wenn junge Familien von einem Dorf ins nächste etwa 6 km zu Fuß laufen, wenn der Bauer mit der Egge hinter dem Ackergaul herrumpelt oder wenn 11- bis 12-jährige mit Mistforken über die Straße gehen, hat das wenig mit Folklore zu tun. Aber: das Armutsgefälle liegt in Polen, oft nur wenige Kilometer auseinander. In den großen Städten gibt es ein internationales Waren- und Serviceangebot, Nightlife und allen Blödsinn, den wir hier auch haben. Und es gibt viele Polen, die sich das leisten können und wollen. Kennen tun es alle: Selbst auf dem einfachsten Holzhaus steht eine Sat-Schüssel.
Hier noch ein paar Bilder und unsere Tracks als GDB-Datei zum Download.
Alleen ohne Ende
[Blockierte Grafik: http://www.berke.info/Archiv/Masuren1.jpg]
Plattenpiste
[Blockierte Grafik: http://www.berke.info/Archiv/Masuren2.jpg]
unbefestigte Piste (Vierte Kategorie „Waldweg“ fehlt)
[Blockierte Grafik: http://www.berke.info/Archiv/Masuren3.jpg]
an jeder Ecke ein See
[Blockierte Grafik: http://www.berke.info/Archiv/Masuren6.jpg]
dunkler Crèpe mit Eisfüllung (Danzig, ca. 2 EUR)
[Blockierte Grafik: http://www.berke.info/Archiv/Masuren5.jpg]
Ach so: Wetter. Wir hatten in der zweiten Julihälfte einen Regentag. Ansonsten 18 - 24 Grad, bewölkt bis sonnig. Bestes Fahr- und Besichtigungswetter also. Das Ermland und Masuren haben kontinentales Klima. Die bei uns wetterbestimmenden atlantischen Einflüsse gibt's dort nicht.
Gruß - Wolfgang