Ich halte die Aufregung um (zu) viele Stellen hinter dem Komma aus mehreren Gründen für eine ziemlich künstlich und teilweise falsch. Von einer Messwertaufzeichnung erwarte ich, dass der Wert mit Ablesegenauigkeit dokumentiert wird. In eine Dokumentation gehört keine, wie auch immer geartete Interpretation, höchstens als Anmerkung.
Eine Fehlerabschätzung ist manchmal wichtig und muss dann selbstverständlich separat durchgeführt werden. Aber eine Fehlerabschätzung ist eine Wahrscheinlichkeitsangabe und keine Fehlerangabe. Das sind zwei völlig verschiedene Sachen. Selbst eine Messunsicherheit von 100 % schließt nicht aus, dass ein mit 12 Stellen hinter dem Komma angegebener Wert nicht doch vollständig richtig ist.
Ob es sinnvoll ist, für einen Wert 12 Stellen hinter dem Komma anzugeben, ist wieder eine ganz andere Sache und ebenfalls ziemlich losgelöst von der Messunsicherheit. Eine Messwertaufzeichnung soll aber nicht darüber nachdenken, was sinnvoll ist, sondern Messwerte aufzeichnen.
Beides, die Fehlerabschätzung und das sinnvolle Runden eines Wertes, ist die Funktion der Auswertung, also eines nachfolgenden Arbeitsschritts, der nur dann wirklich sinnvoll ist, wenn man sicher sein kann, dass die Messwertaufzeichnung die Messwerte nicht selbst verfälscht hat.
Bei der Messwertaufzeichnung mit Hilfe von Software kommen ja noch schnell ein paar weitere Problem dazu. Wenn Variablen global definiert werden, ist das unter Umständen der übersichtlichere und damit fehlersichere Programmcode, auch wenn das im Einzelfall unnötig viele Stellen und Speicherverbrauch bedeutet.
Und was die Erziehung von Studenten und ähnlichem lern(un)willigen Volk angeht: Manchmal verhalten sich Menschen ganz intuitiv im Rahmen ihrer Möglichkeiten richtig: Besser, ein richtiges Rechenergebnis mit zu vielen Stellen, das sich ja immer noch richtig kürzen lässt, als ein mit falsch gekürzten Zwischenwerten erzieltes und damit gänzlich falsches Ergebnis. Das ist dann nichts anderes, als eine richtige Risikoeinschätzung. Zu einer realistischen Risikoabschätzung der eigenen mathematischen Fähigkeiten sind die meisten Menschen eher in der Lage, als eine statistische Berechnung zu verstehen. Wirklich gefährlich sind nur die, bei denen es andersherum ist.